Jugendhockey

Vereinswechsel von Jugendlichen - ein umstrittenes Thema

Interview mit DHB-Vorstandsmitglied Uli Forstner / Papiere für Vereine zum Download

 

13.11.2013 - Mit der „Rostocker Erklärung“ haben die DHB-Vereine 2011 beim Bundesjugendtag in der mecklenburgischen Hansestadt das Thema Vereinswechsel in jüngeren Nachwuchsjahrgängen (U16 und jünger) in den Blickpunkt genommen. Seitdem hat eine Arbeitsgruppe daran gearbeitet, wie man im deutschen Hockey die Kluft zwischen Vereinen, die immer wieder junge Talente abgeben und Clubs mit hochklassig spielenden Leistungsmannschaften, die zum Teil auch sehr aktiv um diese Nachwuchs-Cracks werben, schließen könnte. Ulrich Forstner, Bundestrainer Wissenschaft, spricht im Interview über das diffizile Thema und die gemeinsamen Ziele.

Herr Forstner, worum geht es genau?

Uli Forstner: „Den Anfang hat es vor zweieinhalb Jahren beim Bundesjugendtag 2011 genommen, als es gleich von mehreren Vereinen ähnliche Anträge gab, die zum Ziel hatten, eine Art Ausbildungsentschädigung bei Vereinswechseln in der Jugend einzuführen. Hintergrund war eine tiefe Unzufriedenheit über den Wechsel von Kaderspielern in der Jugend, die zum Teil auch so kurzfristig erfolgten, dass ganze Teams von heute auf morgen ohne ihre absoluten Leistungsträger dastehen. Das birgt natürlich ein riesiges Frustpotenzial bei den Spielern, Eltern und Trainern und auch bei Landesverbänden, die den Spielverkehr organisieren.“

 

Wie ist da die Sichtweise des DHB?

Uli Forstner: „Wir haben uns mit den Bundestrainern umfangreiche Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen solche Wechsel in unserem ja recht eng umgrenzten Hockeysystem haben – und sind zu dem Schluss gekommen, dass man eher die Vereine stärken muss, in denen junge Talente aufwachsen, als Wechsel zu forcieren, um die Talente in Spiel stärkere Teams zu bekommen. Das setzt aber voraus, dass die Bedingungen in dem jeweiligen Verein okay sind."

 

Welche Überlegung steckt dahinter?

Uli Forstner: „Weil es für uns als kleinere Sportart ganz wichtig ist, uns das Potenzial an motivierten Trainern, Eltern und Vereinen zu erhalten. Wir können es uns gar nicht leisten, diese aus einer Frustration heraus zu verlieren. Wir sind eben nicht im Fußball, wo es für kleinere Vereine eine Ehre ist, Spieler in hochklassige Clubs abzugeben. Dafür ist das Reservoir an Talenten einfach nicht groß genug!“

 

Und wie soll das in geregelte Bahnen gelenkt werden?

Uli Forstner: „Es gibt hierfür Verabredungen, wie die ideale Talentförderung aussehen sollte, zwischen den Landesverbänden, Landessportbünden, Olympiastützpunkten und dem DHB, die alle vier Jahre für einen neuen Olympiazyklus erneuert werden. Es geht um die Optimierung der Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch eine stärkere Individualisierung des Trainings. Umfänge und Qualität sollten zwischen dem Vereinstrainer und dem Landestrainer abgestimmt werden. Dazu gehört dann auch, dass der Vereinstrainer mal zum Auswahltraining hinzugezogen wird. Das geht natürlich nicht für 20 bis 30 Talente pro Jahrgang pro Landesverband. Hier muss schon stärker sondiert werden, wer es tatsächlich mal ganz nach oben schaffen kann.“

 

Und die Talente selbst?

Uli Forstner: „Es ist ganz wichtig, dass auch den betreffenden Spielerinnen und Spielern klar wird, was es bedeutet, Leistungssport zu betreiben. Hier muss man mit ihnen gemeinsam mal draufschauen, wie etwa ihr Alltag in fünf Jahren ausschauen könnte, wie sich der Leistungssport mit Freundeskreis, Schule und Familie vereinbaren lässt oder ob es zum Beispiel Sinn macht, eine sportgeförderte Schule zu besuchen. Ebenfalls sollten Landesverbände und ausbildende Vereine gemeinsam leistungssportliche Wege entwickeln, das Umfeld so einrichten, dass das Talent eben nicht frühzeitig den Verein wechseln muss, um später mal Nationalmannschaft spielen zu können."

 

Aber wenn es dann Richtung Erwachsenenbereich geht, wird die Schere doch irgendwann zu groß, oder nicht?

Uli Forstner: „Dass irgendwann später – nach Altersklasse Jugend B – eine Zentralisierung doch Sinn macht, ist unstrittig. Dann sind aber auch keine Jugendmannschaften mehr betroffen, weil dann ja die Spielerinnen und Spieler in ihren Damen- und Herrenteams spielen dürfen. Und wenn die Rahmenbedingungen für die Talentförderung im Verein eben nicht positiv sind, dann ist ein Vereinswechsel halt doch wünschenswert – im Sinne des Spielers und seiner Chancen, sich optimal zu entwickeln. Generell aber möchten wir mit der Rostocker Erklärung einen Kultur-Wechsel in diesem Bereich erwirken. Es macht sicher auch Sinn, wenn der ausbildende Verein und der, in dem das Talent später mal in höheren Spielklassen aktiv sein kann, früher in Kontakt treten, einen möglichen Vereinswechsel offen und frühzeitig kommunizieren um eben diese Frustrationen, die ein kurzfristiger Wechsel mit sich bringt, zu verhindern.“

 

Was können Sie denn konkret anbieten?

Uli Forstner: „Es gibt zwei Papiere, die zu diesem Thema entwickelt wurden. Das ist einerseits ein Leitfaden zum Vereinswechsel von Jugendspielern, andererseits ein Wechselprotokoll, das die Landesverbände entweder auf freiwilliger Basis einführen könnten, aber es durchaus auch zwingend vorschreiben könnten, wenn ein Jugendlicher in jüngeren Jahrgängen wechselt. Hier könnte man einführen, dass ein neuer Pass nicht ausgestellt wird, bevor abgebender und aufnehmender Verein den Fragebogen nicht ausgefüllt haben.“

 

Wer hat denn an diesen Papieren mitgearbeitet?

Uli Forstner: „Wir haben seit dem Bundesjugendtag mit einer Arbeitsgruppe „Vereinswechsel“ intensiv daran gearbeitet, zu der neben den Initiatoren Bernd Monsau und Götz Stumpf, die aus betroffenen Vereinen kommen, auch Hamburgs Landestrainer Niels Leest und Gerrit Kollegger vom Hessischen Hockey-Verband mitgearbeitet haben. Wir haben viele Vereine und Verbände zu dem Thema interviewt und denken, dass wir zu dem Thema breiten Konsens haben.“

 

Nachfolgend nun die beiden Papiere zum Download sowie noch einmal zur Info die "Rostocker Erklärung" vom Bundesjugendtag 2011 sowie eine überarbeitete Fassung:

» Leitfaden z. Vereinswechsel (pdf)


» Wechselprotokoll (pdf)


» Rostocker Erklärung (vom BJtag 2011, pdf)


» Überarbeitete Erklärung (pdf)

 
26. April 2024
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